Schon wieder Olympiade

Sydney ist „gefühlt“ doch kaum vorbei, da schwimmen, schießen, rennen, hauen und stechen sie schon wieder. Diesmal in Peking (oder muss ich jetzt „Bejing“ sagen?) und genauso wie ich mich spontan an nichts mehr von der Sydney-Olympiade erinnere, genauso schnell wird auch Peking wieder vergessen sein. Kein Wunder bei der inflationären Vermehrung der sogenannten Sportgroßereignisse.

Vor Sydney gab’s die Spiele in Athen und ohne ins Lexikon zu schauen fällt mir auch dazu spontan nichts ein. Davor gastierte Olympia in Atlanta , wovon bei mir einzig die Begriffe Coca-Cola-Spiele und ein Bombenanschlag hängen geblieben sind und mit Barcelona 1992 assoziiere ich allein Monteserrat Cabale` und Freddy Mercury, obwohl das böse AIDS Letzteren schon ein Jahr vorher dahingerafft hatte. Ja, und davor Seoul 88: Großartige Bilder phantastisch aufgepumpter Athletenkörper von Ben Johnson, Carl Lewis, Florence Joyner-Griffith u.v.a. Seoul - DIE Dopingspiele der Neuzeit.

Los Angeles 84 und davor Moskau 1980 waren ja keine richtigen olympische Spiele, weil sich, zuerst in Moskau und dann vier Jahre später in Los Angeles, Kapitalisten und Kommunisten gegenseitig boykottierten. Zu Los Angeles fällt mir einzig „der Raketenmann“ ein und zu Moskau gar nichts, da im deutschen Fernsehen nur eine tägliche Kurzzusammenfassung der Ergebnisse gezeigt werden durfte. Von der Olympiade 1976 in Montreal ist mir einzig erinnerlich, dass den Kanadiern das Geld für den Stadionbau ausgegangen ist und die Spiele deshalb in einem unvollständigen Provisorium durchgeführt wurden.

München 72 ist natürlich noch sehr präsent, zum einen weil diese Spiele in Deutschland stattfanden und zum anderen wegen des Entsetzens, den der brutale Überfall eines palästinensischen Terrorkommandos auf israelische Sportler und das blutige Ende des Geiseldramas weltweit ausgelöst hat. Aber auch an die sportlichen Ereignisse erinnere ich mich noch recht genau und Namen wie Mark Spitz, Heide Rosendahl, Ulrike Mayfarth, Heinz Wolfermann oder Wilfried Dietrich ( „Kran von Schifferstadt“) fallen mir bei „München72“ sofort ein.

Komischerweise werden die Erinnerungen an olympische Spiele immer intensiver, je weiter ich in die Vergangenheit zurückblicke. Möglicherweise liegt das am Alter, weil mit beginnender Demenz das Kurzzeitgedächtnis rapide nachlässt, lange zurückliegende Ereignisse aber immer klarer aus dem Nebel des Vergessens hervortreten. Daran allein aber liegt es nicht, dass ich mich an die an die Olympiade in Mexico-City 1968 so lebhaft erinnere. Nein, es waren die guten Fernsehbilder aus Mexiko, welche die Menschen faszinierten. Direkte TV-Übertragungen aus Übersee waren erst seit wenigen Jahren möglich und das Farbfernsehen war gerade mal seit einem Jahr in Deutschland eingeführt. Außerdem wurden auf Grund der Höhenlage von Mexico-City ( 2300 m ü.M) außergewöhnliche sportliche Ergebnisse möglich. Weltrekorde in fast allen Leichtathletik-Wettbewerben, die Jahrzehnte bestand hatten. Z.B. der unglaubliche Weitsprungweltrekord ( 8,90 m) des Amerikaners Bob Beamon oder der Sieg mit Weltrekordhöhe des US-Hochspringers Dick Fosbury, dessen, neuer Sprungstil, der „Fosbury-Flop“ den Hochsprung revolutionierte. Und dann waren da noch die hochgereckten, schwarz behandschuhten Fäuste der beiden schwarzen US-Läufer, die auf dem Siegerpodest gegen die Rassendiskriminierung in den USA und für Black Power demonstrierten.

Auch die Spiele in Tokio 1964 wurden bereits via Satellit übertragen, jedoch waren die Bilder noch etwas getrübt und das ist auch meine Erinnerung an diese Olympiade. Allerdings ist der Zehnkampfsieg von Willi Holdorf samt den Bildern des, am Ende des abschließenden 1500m-Laufs, völlig erschöpft über die Ziellinie wankenden Athleten immer mit Tokio 64 verbunden.

Die Spiele in Rom 1960 habe ich intensiv im Radio verfolgt. Ein Fernsehgerät besaßen meine Eltern noch nicht. Aber den Siegeslauf von Armin Hary über 100 m, die gazellenhafte Leichtigkeit des Laufstils der Wilma Rudolpf über 100 und 200m habe ich dennoch live bewundern können, denn in unserer Nachbarschaft gab es Freunde, deren Eltern sich schon einen Fernseher leisten konnten.

Zu jener Zeit war auch die Wochenschau, die Fox tönende tärätätä tä tä, die im Vorprogramm jeder Kinovorstellung lief, ein wichtiges Informationsmittel, wo natürlich auch über die olympischen Spiele berichtet wurde, und Bilder von der Olympiade in Melbourne 1956 bekam man nur dort zu sehen. Da war ich aber erst zehn Jahre alt und deshalb kann ich mich an Bilder nicht mehr erinnern. Einzige Ausnahme, der unter Schmerzen zum Sieg reitenden Hans Günther Winkler auf seiner legendären Stute Halla. Den Ritt habe ich mehrfach gesehen, aber höchstwahrscheinlich erst Jahre später. Hier spielt mir die Erinnerung bestimmt einen Streich. Dass die Reiter 1956 statt in Australien in Stockholm, in Schweden, geritten sind, ist aber auch noch so eine Besonderheit, die mir zu Melbourne 56 spontan einfällt.

Zu Helsinki 1952 fallen mir nur 2 Namen ein, Emil Zatopek und Herbert Schade, beides Langstreckenläufer, der erste Tscheche der zweite ein Deutscher, und ich erinnere mich dass wir als Kinder oft Zatopek gegen Schade spielten. Wie weit dies auf die Olympiaberichterstattung im Radio zurückzuführen war, kann ich beim besten Willen nicht mehr beurteilen.

Ich gehe jede Wette ein, dass trotz Rundumversorgung mit Fernsehbildern aus Peking nach den Spielen kein einziger Name eines Sportlers im kollektiven Bewusstsein verankert sein wird. Niemand, von Fachleuten abgesehen, wird sich schon eine Woche nach der Abschlussfeier noch an irgendeinen Sieger erinnern können. Und ganz sicher werden nach den Spielen nirgendwo auf der Welt Kinder „Phelps“ gegen „van den Hoogenband“ spielen.
Gregor Keuschnig - 10. Aug, 13:04

Es ist umgekehrt:

Die Spiele in Athen waren 2004 - Sydney gab es 2000! Zu Sydney fällr mir nichts ein, weil ich zu dieser Zeit in urlaub war und nur einer Bar auf La Palma in einer Aufzeichnung den 800m Sieg von Nils Schumann gesehen habe.

Das Phänomen, dass mir als Sportinteressierter (aber kaum Fan) zu den aktuellen Ereignissen immer weniger einfällt, dürfte an der mit der Zeit hinzugewonnenen skeptischeren Sichtweise liegen, die man bekommt. Da werden Helden so schnell eben keine mehr, weil man im Hinterkopf immer einen Verdacht hat (geht mir bei Phelps so - aber nicht nur bei ihm). Hinzu kommt die zunehmend lieblosere Berichterstattung - viel mehr auf "Hype" ausgerichtet und kaum mit Hintergrundinformationen.

Ich erinnere mich an irgendwelche Olympischen Spiele in den 70er oder 80er Jahren. Ich sah mit meinem Vater zusammen die Schwimmübetragungen; es war schon um die 1 Uhr nachts. Plötzlich gab es ein Problem - der Endlauf, auf den wir warteten, verzögerte sich. Ich weiss nichts mehr über diesen Endlauf, der nach grosser Verspätung stattfand, aber ich weiss, dass Harry Valérien diese Verspätung mit Geschichten und auch Anekdoten derart kurzweilig gestaltete, dass man "dranblieb", ohne sich nur eine Sekunde zu langweilen. Bei den heutigen "Reportern" fallen mir dazu höchstens noch (mit Abstrichen) Sigi Heinrich und Dirk Thiele von Eurosport ein.

So kommt es, dass ich zu Athen 2004 auch kaum eine Erinnerung habe. Alles wird stromlinienförmig - und langweilig. Es dient der unmittelbaren "Unterhaltung", fesselt aber nicht mehr. Vielleicht, weil es auch einfach zuviel ist.

blackconti - 10. Aug, 17:02

Ohwei, was für ein Fehler – und jetzt kann ich’s nicht mal mehr tauschen.
Danke aber für den Hinweis. Dadurch wird aber auch die Beliebigkeit solcher Veranstaltungen deutlich –Athen , Sidney- was soll’s , wenn man nicht googled oder sonst wo nachschaut fällt einem so oder so dazu nichts mehr ein, nicht mal die richtige Reihenfolge, wie Sie mir bewiesen haben.
Mittlerweile finden internationale Sportgroßereignisse im Halb – wenn nicht gar im Vierteljahresrhythmus statt, werden in ihrer Folge als auch in den einzelnen Zeitplänen immer auf die Bedürfnisse der TV-Stationen zugeschnitten. Dadurch ist dann eine nicht enden wollende Flut von Sportbildern gewährleistet. Wer soll sich da Details merken? Und trotz der vielen Bilder verbinden sich mir mit den Namen der heutigen Spitzensportlern keine Gesichter mehr, von ein paar popstargleichen ( Federer, Schumi, Ballack o.ä.) abgesehen. Dem Schwimmer Phelps könnte ich auf der Straße begegnen und würde ihn nicht erkennen. Allerdings weiß ich noch heute, wie der München 72-Goldmedailliengewinner im Skeetschießen, ein gewisser Herr Wirnher oder –zirl , aussah. Und natürlich spielt heute auch das Misstrauen gegen über sportlichen Spitzenleistungen eine Rolle und ist aber auch höchst angebracht.
Gregor Keuschnig - 10. Aug, 17:08

Ihr kleiner Fehler zeigt ja eigentlich nur die Richtigkeit Ihrer These an.

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