Meine Weihnachtsgeschichte

„0.34 - that’s illegal!“ meinte der Officer mit bedauerndem Gesichtsausdruck, nachdem das Draeger-Atemanalysegerät ratternd den Wert meines Alkoholgehalts in der Atemluft ausspuckte und nun, das ist mir sofort klar, würde die übliche Prozedur abgespult. Ab in den Knast. Freitagnacht, ca. 1 Uhr, und auf dem Rückweg vom Pistol’s hat die Polizei eine Straßensperre eingerichtet, direkt an der Autobahnausfahrt, dort wo bisher noch nie eine Kontrolle aufgebaut war und jetzt hat’s mich erwischt.

Der Schwager versucht noch zu verhandeln, aber das ist vergebliche Liebesmüh. Diesmal macht die Polizei Ernst und hat am 1. Ferienwochenende alle Ausfallstrassen aus Margate blockiert. Der Schwager, da ebenfalls über dem Limit, darf das Auto auch nicht weiterfahren und so müssen die Frau Blackconti und die Schwägerin aus dem Schlaf telefoniert werden. Ich darf mich derweil schon mal in dem Toyota-Pick-up einrichten, hinten, im zum Gefangenentransport verschließbaren Teil, wo bereits sieben weitere Delinquenten hocken, die, wie ich wohl auch, ziemlich bedröppelt dreinschauen. Stickig ist es und geradezu eine Wohltat, als der Wagen sich in Bewegung setzt zum kurzen Transport zur Polizeistation in Margate.

War der Ton der Beamten bisher sehr höflich, so ändert sich das mit dem Verlassen des Transportvehikels schlagartig. Jetzt wird im Kommandoton zur Eile gemahnt, in die oder jene Richtung dirigiert und letztendlich lande ich in einer gitterbewährten Zelle, ca. 2 x 7 Meter, in der sich bereits einige Menschen befinden und nun sind es mit mir 17 Leute. Eine Sitzbank bietet Platz für 6-7 Menschen, der Rest steht, mehr oder weniger dicht, oder lehnt an den Wänden. „Freilassung gegen Kaution frühestens nach 4 Stunden,“ hieß es an der Kontrollstelle und das bedeutete nun, dass Frau Blackconti oder sonst wer so gegen 6 Uhr morgens mit der Kaution eintrudeln sollten. Dass diese Zeit lang werden würde, war schon nach dem ersten Blick auf die Uhr klar, da sich die gefühlte Stunde gerade mal als 10 Minuten erwies.

Müdigkeit setzt ein, aber auf den total versifften Fußboden setzen? Nein, das scheint ausgeschlossen. Die Luft in der Zelle ist zum Schneiden, Lüftung Fehlanzeige. Meine Mitgefangenen, 10 Schwarze, 5 Weiße und 2 Inder, schwitzen genau wie ich und langsam entwickelt sich ein, milde ausgedrückt, ziemlich strenger Geruch, wozu ein Klo in der Ecke noch das Seinige beiträgt.

Nach ungefähr einer Stunde werde ich, wie vor mir schon andere, aus der Zelle geholt zur erkennungsdienstlichen Behandlung. Welche Wohltat nach der Steherei! Name, Adresse usw. und dann die Fingerabdrücke. Fingerabdrücke, von allen Fingern einzeln, von der Faust, rechts und links, von den Fingern gemeinsam , natürlich rechts und links und dann von beiden Handflächen. Die sind nun total schwarz von der Stempelfarbe und nirgends gibt es Wasser, oder ein Tuch, oder wenigstens ein Stück Papier zum Abwischen. Egal, schon werde ich wieder in die Zelle gescheucht, wo sich dann eine gewisse Lethargie einstellt. Ich habe Durst, aber da gibt’s nichts und so sacke ich, Dreck hin, Dreck her, langsam zu Boden, um endlich etwas bequemer, sitzend vor mich hin zu dämmern. Noch eine Stunde bis 6 Uhr und die wird jetzt auch noch vergehen.

Es ist 6 Uhr und ich werde unruhig, weil nichts passiert. Hey Frau Blackconti, hey Schwager, wo seid ihr? Diese Frage stelle ich auch via Handy und erhalte die schockierende Auskunft, dass es wohl noch bis 10 Uhr dauern dürfte, bis man mich rauslassen würde. Nun, mindestens 4 Stunden hat man mir gesagt, mindestens, und da darf es verständlicherweise auch ein wenig mehr sein. Meine Enttäuschung geht nahtlos in Apathie über, denn jetzt sind ein paar Stunden mehr oder weniger eh schon Wurscht. Dreckig bin ich, stinken tu ich und langsam setzt bei mir ein Denkprozess ein. Irgendwie bin ich an meiner Lage ja wohl selber Schuld und möglicherweise könnte ich aus der Situation ja auch etwas lernen, z. B., dass ich unter Alkoholeinfluss nicht Auto fahren darf.

Zum guten Schluss hat man mich dann um 9 Uhr gehen lassen unter der Auflage, dass ich am 24. 12. (Toll, Heilig Abend!) um 8.30 Uhr in Ramsgate vor Gericht erscheine, wo man mich dann zu einer Geldstrafe von 2.500,00 Rand verurteilen wird. Nun denn, Frohe Weihnachten!


Frau Blackconti und ich haben lange diskutiert, ob ich das hier erzählen sollte oder nicht. Letztendlich habe ich mich dafür entschieden
Gregor Keuschnig - 22. Dez, 19:47

Schöne Geschichte. ehrlich. Trotzdem: Frohes Fest und alles Gute für 2009!

blackconti - 22. Dez, 23:25

Schöne Geschichte? Eher wohl: Schöne Bescherung. Besonders stolz bin ich darauf wirklich nicht, aber als Erfahrung fand ich das dann doch mitteilenswert. Dir natürlich auch frohe Weihnachten und ein gutes Neues Jahr.
Gregor Keuschnig - 23. Dez, 09:03

Die Geschichte ist schön. Sie klingt; schön. Das Ereignis ist es natürlich nicht, wenn es auch - wie Du ja sagst - sozusagen "selbstverschuldet" ist. Die Rubrizierung "Weihnachtsgeschichte" hat mich zu dem Adjektiv eingeladen.
blackconti - 23. Dez, 10:30

Du kennst doch inzwischen meinen Hang zur Ironie. Insofern hatte ich Deinen Kommentar schon richtig verstanden. Danke und nochmals: Sinifesela Ukhisimusi Omuhle!
en-passant (Gast) - 23. Dez, 00:34

Schöne Bescherung!

"Schön" ist natürlich ein unpassendes Adjektiv bei so was Mir fällt aber beim Lesen ein, dass ich mich an die meisten Heiligabende gar nicht mehr erinnere, eher nur an die "problematischen". Diese negativen Erlebnisse spielen gewissermaßen eine eigene Rolle. sie sind auch kleine Zäsuren.

Einmal kam eine Sturmwarnung, ein technical delay und was noch zusammen, so dass ich die Nacht mit vielen anderen Gestrandeten auf dem Inlandsflughafen von Manila verbringen musste. Wie die Locals damit umgegangen sind und die Touristen mit einbezogen haben, das hat sogar bei mir kurzfristig noch einmal zu sowas wie einer "Besinnlichkeit" geführt, die es schon lange nicht mehr gab. Der Dreck, das Überfülltsein, die tropischen Unannehmlichkeiten wurden irgendwann gleichgültig - mit der Angst vor dem Sturm und dem Verschontgebliebensein und der plötzlich unkonditionierten Gemeinschaft war es dann eine lohnenswerte Erinnerung. Vom dem Rest dieses Weihnachtens (in irgendeinem austauschbaren Luxushotel in HKG) weiß ich fast gar nix mehr.

In DIESEM Sinne: "Frohes Fest" - es kann immer noch schlimmer kommen!

blackconti - 23. Dez, 02:11

Natürlich gibt es Schlimmeres und ich wollte mich auch wirklich nicht beklagen, denn der erzieherischen Ansatz mittels allerlei Unbequemlichkeiten ist mir sehr wohl bewusst. Ja, Weihnachten 2008 wird mir in der Erinnerung bleiben.
Dir auch ein frohes Fest.
pathologe - 23. Dez, 07:30

Selber

Schuld, kann ich da nur sagen. Lerneffekt inklusive. Ich bin hier ja vorsichtig, was das betrifft, da es hier wohl schaerfere Strafen gibt als in Suedafrika. Offiziell gibt es Alkohol nur in den Hotels oder in einem einzigen Geschaeft, fuer das man eine "Saeuferlizenz" braucht. 24 Halbliterdosen Carlsberg zu 148 Riyals, etwa 30 Euro, 5 Liter Rotwein aus dem Karton 22 Euro und so weiter...

Gluecklicherweise gab es aber keinen Unfall, das haette die Situation noch verschaerft, denke ich.

blackconti - 23. Dez, 11:28

Nein, unfallträchtig war die Situation wirklich nicht und daran mag ich auch nicht mal denken. Das problematische in SA ist, dass es kaum öffentliche Transportmittel und auch fast keine Taxis gibt. Letztere nicht, wegen der latenten Gefahr von Überfällen, sodass das Auto die einzige Möglichkeit ist, entlegenere Orte zu erreichen. Daher sind die Kontrollen normalerweise auch relativ lax. Z.Zt. aber ist hier touristische Hochsaison mit Tausenden von spaßbereiten Feriengästen und „der Südafrikaner“ ist dabei dem Alkohol recht zugetan. Die großflächige Abriegelung der Holidayhochburg Margate sollte gleich zu Beginn der Saison eine Warnung sein, ein Schuss vor den Bug. Bei mir jedenfalls, getroffen und versenkt, ist's angekommen.
Dir auch frohe Weihnachten und ein gutes Neues Jahr.

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