Was sollte das denn?

Margot KäßmannIrgendwas muss die Margot Käßmann, die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende den 3sat-Kulturzeit-Machern getan haben, denn schon die Anmoderation der Tina Mendelsohn hat so einen merkwürdigen Unterton. Frau Käßmann sei, so Mendelsohn, seit ihrem Rücktritt populärer als je zuvor und lebe ganz gut davon. Im Beitrag selbst ging’s dann richtig los. Frau Käßmann wird uns in kurzen Schnipseln auf dem Kirchtag gezeigt, während einer Podiumsdiskussion, im Gespräch mit normalen Kirchentagsbesuchern, beim Interview mit einem merkwürdigen Journalisten und bei einer Predigt in einer übervollen Kirche. Unterlegt wird das Ganze mit einem bewusst süffisant-scheinironischen Off-Kommentar. Da der Ton die Musik macht hört man nun unterschwellig folgende Vorwürfe:

Frau Käßmann ist der Star des Kirchentages und zieht die Massen an. Selbst eine Kirche ist randvoll, wenn Käßmann predigt. Käßmann nützt das aus um ihre „Weisheiten zu verkünden“ und zwar „zu Allem und Jedem“. Ihre „Worte zum Sonntag kommen bei den Zuhörern gut an". Sie hat sich, obwohl sie nach wie vor findet, dass nichts gut sei in Afghanistan, bis heute noch nicht selbst vor Ort informiert. Sie ist nach eigenem Bekunden kein Militärexperte, ist aber dennoch der Meinung, dass eine Lösung im Afghanistankrieg nur durch Verhandlungen mit den Taliban gefunden werden kann. Käßmann „findet Armut grausam und Krieg doof“ und „wenn auch nicht alles gut ist in Afghanistan, so ist doch alles gut bei Margot Käßmann“. Frau Käßmann hat auch zu allem Übel auch noch ein Buch geschrieben, „ Eia-Popeia-Prosa wie der Literaturkritiker Dennis Scheck urteilt“, und das verkauft sich auch noch gut, ist ein Bestseller. Dann darf ihr auch noch ein Focus!-Journalist Berechnung und intellektuelle Unredlichkeit vorwerfen und zwei Kirchentagsbesucherinnen, die Käsmann gut finden, lässt der Ton des Kommentars dann als dumme Puten erscheinen. Ganz schlimm ist es natürlich, folgt man dem Off-Kommentar, dass „Käsmann zur Ikone der Glaubwürdigkeit geworden ist, die durch ihre Wohlfühl-Rhetorik die Sehnsucht der Menschen nach einer besseren Welt stillt.“

Natürlich sind das alles ganz entsetzliche Vorwürfe und den so intellektuell redlichen Kulturzeit – Machern wie Stefan Braunshausen und Tina Mendelsohn kommt das unschätzbare Verdienst zu, endlich die ganze verheuchelte Gesinnung der Ex-Bischöfin entlarvt zu haben. Naja, und 45 Minuten Kulturzeit müssen ja auch täglich gefüllt werden. Da ist man froh über jeden Beitrag und sei er auch noch so ein Machwerk.
Gregor Keuschnig - 7. Jun, 08:05

Also intellektuell redlich ist die "Kulturzeit" schon lange nicht mehr - insbesondere wenn sie von Frau Mendelsohn moderiert wird. Tatsächlich geht manchen dieses aalglatte Predigertum der Margot K. auf den Keks. Ihre Eitelkeit, ihr Posieren, ihr typisch protestantisches Kümmertum. Mir eigentlich auch. Obwohl mir mit solchen Beiträgen ja nicht geholfen wird: Die Filmemacher wissen schon vorher, was sie schlecht finden wollen. Man wartet förmlich darauf, bis sich das Objekt dann in der Nase bohrt oder jemandem die Hand schüttelt, während sie wegschaut. Das ist natürlich Drecks-Journalismus.

Im transkribierten Text (danke dafür - ich habe den Beitrag nicht gesehen, da ich fast immer abschalte, wenn Frau M. moderiert) steckt mindestens ein grober Fehler: Käßmann war sehr wohl in Afghanistan - hat also das gemacht, was man gemeinhin als "sich informiert" bezeichnen könnte.

Viel interessanter wäre es für mich, wie Frau K. beispielsweise zur "Bibel in gerechter Sprache" inzwischen steht und was das eigentlich bedeutet.

norbert f schaaf (Gast) - 7. Jun, 08:43

Obrigkeitjournaille

Es geht darum, dass auch Kirchenvertreter gefälligst den Standpunkt der Obrigkeit zu vertreten haben, und für die ist das Engagement in Afghanistan heilig. Moderatorin M. und Literaturkritiker Sch. sind selbst typische Vertreter der Spezies „Erfüllungsgehilfen der Macht“. (Warum erinnert einen schon der Name Dennis Sch. eigentlich immer an einen Arsch mit Ohren? Wahrscheinlich weil er als solcher gern und oft für die Großkopferten sprechend und agitierend auf dem Bildschirm erscheint.)

blackconti - 7. Jun, 11:04

Ich hatte sicher nicht vor, ein Loblied auf die Frau Käßmann zu singen. Die agiert und argumentiert so simpel, wie man es von einem evangelischen Pfaffen erwarten darf. Ob sie wirklich eitel ist? Man kann’s vermuten, aber dennoch kommt sie sympathisch und einigermaßen glaubwürdig rüber, glaubwürdiger jedenfalls, als diese ganzen Politnasen, die uns tagtäglich mit ihren Sprechblasen zumüllen dürfen. Dagegen sind Käßmanns öffentliche Auftritte, vom Kirchentag einmal abgesehen, geradezu marginal, für uns hier unten jedenfalls kaum wahrnehmbar. Umso merkwürdiger erscheint dieses bösartige Kulturzeit-Filmchen.
Höchstwahrscheinlich hat mein Gast N.Schaaf recht mit seiner Einschätzung. Es geht darum, auch die Kirchenvertreter auf Linie zu trimmen. Internationale Kriegseinsätze sind wieder eine politische Option und wer da meint, das Grundgesetz verbiete so was, der wird halt persönlich attackiert. „Erfüllungsgehilfen der Macht“, ja, so darf man das Duo Mendelsohn/Braunshausen wohl mit Fug und Recht bezeichnen.
en-passant (Gast) - 7. Jun, 13:16

"Eia-Popeia-Prosa" (D.S.)

Hatte den Beitrag zufällig beim Spülen gehört. Aber nix gegen Dennis Scheck, der die obige Kurzfassung für das Geschreibe von Frau K. fand und es auch aussprach. So ein "Arsch mit Ohren" wird gebraucht!

 
Gregor Keuschnig - 7. Jun, 13:21

Scheck sagte dies im Rahmen seiner Bestseller-Be- bzw. Verurteilungen. Es ist mehr als ein Jahr her. Der erste Satz lautete sinngemäss, dass die Person Schonung verdiene, das Buch jedoch nicht. Mit diesem Bücher-Wegwerfen (was man im Radio nicht sieht und hört) soll Scheck vermutlich irgendwann einmal als neuer Literaturpapst aufgebaut werden.
en-passant (Gast) - 7. Jun, 13:32

Das glaube ich nicht.

Da hätte Scheck - wie gegen jedes Papstum - sicher selber was dagegen. Und seine Kurz-und-schmerzlos-Kritiken sind allzu oft die angemesseneren.
Ich weiß, Sie mögen ihn nicht aber - er wird gebraucht.

 
Gregor Keuschnig - 7. Jun, 13:48

Naja, diese Form der "KurzkritiK" ist mir zu oft selbstverliebtes Wort-Gedrechsel. Jeder andere würde der Oberflächlichkeit geziehen. Es ist schließlich auf die Erwartungshaltung beim Zuschauer hin ausgelegt: wirft er das Buch nun weg oder nicht? Wer findet Gnade vor dem episkopalen (!) Prediger des "guten Buches"? Das erinnert sofort an Reich-Ranickis "taugt das Buch etwas oder nicht".

Ich habe nichts gegen Scheck, solange er im Radio die Büchersendungen moderiert und dabei möglichst neutral bleibt. Diese pseudo-coole "Druckfrisch-Sendung sticht zwar mit Leichtigkeit derzeit alle anderen Literatursendungen im deutschen Fernsehen aus - aber das zeigt ja auch schon das Elend.

(Dass Scheck ein Agitator der Mächtigen ist, ist natürlich vollkommener Blödsinn.)
blackconti - 7. Jun, 14:53

Eigentlich sollte ich mich aus Eurer Scheck-Diskussion heraushalten, aber wenn wir schon beim Bekennen sind, so will auch ich gestehen, dass mir seine „Druckfrisch“- Sendung von allen uns hier zugänglichen Literatursendungen am meisten zusagt.
Sein Bestseller-Wegwerfen ist natürlich nur so eine Art Scheck-Markenzeichen und nicht mal spannend, denn bis auf vernachlässigbare Ausnahmen weiß der einigermaßen Interessierte schon vorher, was da, zu Recht, in die Tonne wandert. Dass Käßmanns Buch dazu gehört, glaube ich gerne. Aber u.a. auch dies als Indiz für die, im Film, unausgesprochen transportierte Botschaft: „Käsmann ist eine berechnende, dummschwätzende Heuchlerin“ heran zu ziehen, ist einfach nur bösartig.
en-passant (Gast) - 7. Jun, 15:13

Nein, nein - sie ist ja eine "Überzeugungstäterin"!

Und das ist das, wo solche Leute wie Scheck einem oft auf erfrischende Weise etwas abnehmen!

Ich war neulich, durch ein Versehen, in einer evangelischen Messe - es hätte interessant sein können. (Und ich will mich über niemanden erheben.) Aber dieses quasi unerschütterliche Wissen um die Einsortierungen von Gut und Böse kann einem selber leicht als gefahrvoll aufgehen.

Es ging - natürlich - um Fukishima und seinen Menetekel-Charakter. Doch ist der ja eben menschengemacht. Die Tatsache, dass man früher die eigentlich auslösende Katastrophe, das Erdbeben, also etwas Menschen-Unverfügbares, dem Gott zugeschrieben hätte, kam schon nicht mehr vor. "Gott" allerdings, als was weiß ich für eine tröstende Instanz, hätte nun vielleicht noch versöhnen können (dachte ich mir so, statt der wohl seelsorgerisch gemeinten Singerei). Die Ohnmacht aber durch das unüberwindbar menschlich Böse (weil also das Dumme, das immer nur Raffgierige, kurzfristig Denkende... letztlich das irdische Streben etc.) kam gar nicht mehr vor.

Kann sein, die kommende deutsche Tugend-Republik - grün, evangelikal, konsensüberwertig - wird ganz fürchterlich sein! (Und das meine ich nicht irgendwie kokett.)

 
Gregor Keuschnig - 7. Jun, 15:52

Die neue deutsche Tugend-Republik

Ja, sie wird ganz fürchterlich sein (wenn auch nicht evangelikal - höchstens: evangelisch). Und das meine auch ich weder kokett noch ironisch. Und in dieser neuen, grünen Tugend-Republik landet natürlich alles in den Orkus, was ihr nicht entspricht. Aber Scheck ist ein Verfechter, ein Mitmacher dieser kommenden Tugend-Diktatur. Er hat ja inzwischen auch ein ganz brav-kommodes Kochbuch geschrieben und ist auch sonst immer hübsch bei den Richtigen. Käßmann hatte er - glaube ich - noch nicht einmal weggeschmissen. Man kann ja nie wissen.

Was die Protestanten angeht: Da lohnt sich dann, die Verachtung Matusseks für diese Religion exemplarisch zu lesen. Droht doch "seinem" Katholizismus über kurz oder lang die Protestantisierung. Komisch, wie sich in mir in den letzten Jahren die Koordinaten verschoben haben: das eingängig-"korrekte" einer Käßmann ist mir längst zu glatt geworden, während das verbohrt-dogmatische einiger katholischer Repräsentanten geradezu erregend altmodisch erscheint - und plötzlich stringent. Das hebt die Fehler der Institution Vatikan und deren unheilvolle Verstrickungen natürlich nicht auf. Aber das hat man auch schon zu oft gehört, um es nicht als logische Konsequenz von Machtapparaten zu subsumieren.
en-passant (Gast) - 7. Jun, 16:10

Nee, doch evangelikal: Es geht da nämlich, bei der Unsicherheit von dem, was eine hiesige Leitkultur denn aufbieten können müsste, schleichend auch wieder um Missionierungen, um die Rückbesinnung auf das Buch, das man dem Koran entgegen halten kann. (Las neulich sogar von finsteren tarn-finanziellen Strömungen aus den USA, die hierzulande den Kreationismus stärken sollen.)

Aber das stimmt: Medienfritzen, die Kochbücher schreiben, kommen in die Buch-Tonne.

 
Gregor Keuschnig - 7. Jun, 18:58

Die evangelikale Gefahr sehe ich für Deutschland nicht. Dafür sind wir viel zu sehr mit Konsumismus, Individualismus und Biolebensmitteln beschäftigt. Das ist ja der einzige Vorteil dieser Moderne: Dass sie jegliche Spiritualität im Keim abtötet - also auch die fundamentalistische. Der kulturelle Fundamentalismus zeigt sich dann auf säkularen Feldern.

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