Mit der Masse
Gestern, am 30. Januar, wurden sie uns auf allen Kanälen wieder vorgeführt, die braunen Kolonnen der SA im Gleichschritt und die ekstatische Menschenmenge, die dem soeben zum Reichskanzler ernannten Adolf Hitler voller Inbrunst zujubelte, gestern vor 80 Jahren. Waren meine Eltern auch unter den Jublern? Sicher nicht in Berlin 33, aber irgendwann später irgendwo in der Provinz vielleicht, wenn der „Führer“ mit Gefolge einmal vorbei paradierte? Ich weiß es nicht, wollte es aber auch nie so genau wissen. Eins aber weiß ich ganz sicher, beim Zujubeln wäre ich wohl auch dabei gewesen.
Zu dieser Erkenntnis kam ich am 23. Juni 1963, einem sonnigen Dienstag, als der amerikanische Präsident John F. Kennedy in Köln eintraf, der ersten Station seines Staatsbesuch in Deutschland. Ihn zu sehen, war ich schon früh am Morgen in die Kölner Innenstadt gefahren, um mir eine guten Platz zu sichern, den ich dann auch auf der Ladefläche eines Kleinlasters fand. Die frühe Anreise war dringend geboten, denn mit mir hatten Hunderttausende die gleiche Idee und die Menschenmenge rechts und links der gesamten Fahrtroute des Präsidentenkonvois stand noch dichter gedrängt, als beim alljährlichen Karnevalszug.
Kennedy war kein normaler Politiker, er war ein Star, ein charismatischer Hoffnungsträger, gutaussehend, sympathisch und durchsetzungsstark, ein Held, der den bösen Iwan vor Kuba zur Aufgabe seiner Raketenpläne gezwungen hatte und der den Russen vielleicht auch in Berlin zeigen würde, was eine Harke ist.
Mit diesen Voreinstellungen erwartete ich die Vorbeifahrt der Präsidentenlimousine und dann näherte sich der Fahrzeugtross, was sich durch ein zuerst noch weitentferntes, dann immer lauter vernehmbares Tosen und Schreien ankündigte. Allein dieser anschwellende Jubel versetzte mich in helle Aufregung und als dann die Motorradeskorte auftauchte, dahinter die Security-Fahrzeuge und endlich auch der offene Mercedes mit dem amerikanischen Präsidenten und daneben dem Bundeskanzler Adenauer, beide stehend, da war ich, wie in Trance, ein Teil der schreienden und brüllenden Menge. Habe ich „Heil!“ geschrieen? Möglicherweise, ich weiß es nicht. Der Spuk war in einer Minute vorbei, der Lärm der Masse nahm mit der Entfernung so schnell ab, wie er angeschwollen war. Der Sog der Massenhysterie wich bei mir plötzlich erschrockenem Bewusstsein, ja sogar einer gewissen Scham. Zu deutlich wurde mir mit Schrecken klar, dass ich es tatsächlich nur der Gnade der späten Geburt zu verdanken habe, dass ich nicht „den Führer“ bejubeln durfte.
Diese Erfahrung hat sich tief in mein Bewusstsein eingebrannt und mich gegen Massenjubel ziemlich immunisiert Eine Ausnahme muss ich allerdings gestehen. Wenn nämlich meine geliebte Werkself in München ein Tor gegen die Bayern schoss, dann geriet ich regelmäßig völlig aus dem Häuschen. Oft kam solch exstatischer Jubel allerdings nicht vor, einfach weil meine geliebte Werkself in München nur sehr selten traf. Massenkompatibel war mein hemmungsloser Jubel sowieso nicht, denn unter den 50-60 000 Zuschauern, war ich mit meinem Triumphgeschrei doch ziemlich einsam. Die wütenden Blicke der umstehenden Bayern beeindruckten mich kaum, die mitleidigen allerdings waren mir dann doch zu peinlich, ließen mich rasch verstummen und mit eingezogenem Kopf betreten zu Boden schauen.
Zu dieser Erkenntnis kam ich am 23. Juni 1963, einem sonnigen Dienstag, als der amerikanische Präsident John F. Kennedy in Köln eintraf, der ersten Station seines Staatsbesuch in Deutschland. Ihn zu sehen, war ich schon früh am Morgen in die Kölner Innenstadt gefahren, um mir eine guten Platz zu sichern, den ich dann auch auf der Ladefläche eines Kleinlasters fand. Die frühe Anreise war dringend geboten, denn mit mir hatten Hunderttausende die gleiche Idee und die Menschenmenge rechts und links der gesamten Fahrtroute des Präsidentenkonvois stand noch dichter gedrängt, als beim alljährlichen Karnevalszug.
Kennedy war kein normaler Politiker, er war ein Star, ein charismatischer Hoffnungsträger, gutaussehend, sympathisch und durchsetzungsstark, ein Held, der den bösen Iwan vor Kuba zur Aufgabe seiner Raketenpläne gezwungen hatte und der den Russen vielleicht auch in Berlin zeigen würde, was eine Harke ist.
Mit diesen Voreinstellungen erwartete ich die Vorbeifahrt der Präsidentenlimousine und dann näherte sich der Fahrzeugtross, was sich durch ein zuerst noch weitentferntes, dann immer lauter vernehmbares Tosen und Schreien ankündigte. Allein dieser anschwellende Jubel versetzte mich in helle Aufregung und als dann die Motorradeskorte auftauchte, dahinter die Security-Fahrzeuge und endlich auch der offene Mercedes mit dem amerikanischen Präsidenten und daneben dem Bundeskanzler Adenauer, beide stehend, da war ich, wie in Trance, ein Teil der schreienden und brüllenden Menge. Habe ich „Heil!“ geschrieen? Möglicherweise, ich weiß es nicht. Der Spuk war in einer Minute vorbei, der Lärm der Masse nahm mit der Entfernung so schnell ab, wie er angeschwollen war. Der Sog der Massenhysterie wich bei mir plötzlich erschrockenem Bewusstsein, ja sogar einer gewissen Scham. Zu deutlich wurde mir mit Schrecken klar, dass ich es tatsächlich nur der Gnade der späten Geburt zu verdanken habe, dass ich nicht „den Führer“ bejubeln durfte.
Diese Erfahrung hat sich tief in mein Bewusstsein eingebrannt und mich gegen Massenjubel ziemlich immunisiert Eine Ausnahme muss ich allerdings gestehen. Wenn nämlich meine geliebte Werkself in München ein Tor gegen die Bayern schoss, dann geriet ich regelmäßig völlig aus dem Häuschen. Oft kam solch exstatischer Jubel allerdings nicht vor, einfach weil meine geliebte Werkself in München nur sehr selten traf. Massenkompatibel war mein hemmungsloser Jubel sowieso nicht, denn unter den 50-60 000 Zuschauern, war ich mit meinem Triumphgeschrei doch ziemlich einsam. Die wütenden Blicke der umstehenden Bayern beeindruckten mich kaum, die mitleidigen allerdings waren mir dann doch zu peinlich, ließen mich rasch verstummen und mit eingezogenem Kopf betreten zu Boden schauen.
blackconti - 31. Jan, 22:13