en-passant (Gast) - 21. Nov, 19:35

Alles wird schlechter - oder besser?

Also ehrlich gesagt, fand ich schon Erler immer ein bisschen auf dem allzu plakativen Niveau (und ich erinnere mich an diesen Eindruck, obwohl ich sehr jung war, als ich das gesehen habe).

Was ich aber interessant finde, ist, wie sich überhaupt die Ansprüche verschieben, an Macharten, an Dialoge, an Konsistenzen von Fiktion. Man ist ja geneigt, seit den "Privaten" alles etwas blöder zu finden, zumal es sich auch noch in den Variationen oder Wiederholungen verdünnt. Aber stimmt das, wenn man die Rasanz neuer Schnitttechniken bedenkt, überhaupt die neuen Geschwindigkeit, etwa ja auch aus Hollywood, die einfach mehr heraus dem erzählerisch Verdichteten voraussetzen kann?

Von daher habe ich mich dann immer über solche dünnen Filmchen gewundert. Es scheint aber entweder eine Klintel für's Dünnere / Dümmere zu geben. Oder das Thema macht es dann bei solchen Auswahlen.

Gregor Keuschnig - 21. Nov, 23:30

Nachträglich erscheint dann einiges immer leicht verklärend, vielleicht der damaligen Stimmung geschuldet bzw. es war das Neue, was Erler da thematisierte, was ansprach (ein grosser Leser war ich damals nicht; vielleicht auch leichter zufrieden zustellen). Da schwamm man gerne (gerne? unwissend?) auf der "Welle" mit.

Die Remakes von Filmen sind meines Erachtens immer schlechter für diejenigen, die das "Original" kennen und irgendwie in ihren Kanon überführt haben. Ich denke an solche Filme wie "Psycho" oder auch "Die Zwölf Geschworenen". Da ist einfach das "alte" besser, auch wenn die Ästhetik win bisschen angegraut und langsam erscheint (auch? oder gerade deswegen?).

Die neuen Schnittechniken und die Schnelligkeit. Neulich gab es in der ZEIT in Feuilleton einen Aufsatz von Stefan Willeke, der anfangs vom Kapitalismus im Fussball handelte und dann auf die merkwürdige Verklärung der "Bratwurstfussballer" kam: Der Sage nach war der deutsche Fußball am spannendsten, als sich der zügellose Kapitalismus noch nicht an ihm vergriffen hatte. Der Sage nach spielte damals – bis weit in die siebziger Jahre der Bundesrepublik – die Bratwurst eine entscheidende Rolle im Fußball. Die Bratwurst kostete nur eine Mark, jeder Zuschauer im Stadion konnte sich eine kaufen. Die Bratwurst hatte keine Konkurrenz in den Imbissbuden, überall nur Bratwürste, abgesehen vom Bier. Der Sage nach bestand das herrlich Unverfälschte auch darin, dass die Wurst in einer kalten Wasserlache schwimmen durfte, weil der Regen noch nicht an den ausladenden Dächern hochmoderner Muschelstadien abprallte, sondern auf natürlichem Wege herabfiel auf die Menschen und sich am Ende in den aufgeweichten Wurstschalen der Fußballfreunde sammelte.

Das klingt alles sehr "modern", bis dann Willeke ein interessantes Details beschreibt: Man muss nur einmal versuchen, sich die Aufzeichnung eines erstklassigen Länderspiels aus dem Jahr 1972 anzuschauen, ganz eisern, bis zum Abpfiff. Es ist, in der Rückschau, überhaupt nicht auszuhalten. Die Langsamkeit, der zähe Spielfluss, fürchterlich. Das war der Bratwurstfußball des unschuldigen Kapitalismus. Es ist viel darüber geschrieben worden, wie der Kapitalismus den Fußball deformiert. Es sollte mehr darüber geredet werden, welche Begeisterung das Geld erst möglich macht.

Lässt man die Fokussierung auf das Geld weg, kommt man zum Thema: Vielleicht werden Neuverfilmungen gemacht, weil die "alten Filme" in der Rückschau nicht auszuhalten sind. Ich frage mich nur, wer das so kanonisiert hat bzw. welche Entwicklung da hingeführt hat.

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