Pro7 verwurstet Fleisch in Südafrika,...

Szene as "Fleisch"...zwar schon im Februar dieses Jahres, und wir hätten davon nicht einmal Kenntnis genommen, wenn nicht dieser typische Privatsender-Schmarren bei 3sat zur Auswahl zum Fernsehfilm des Jahres wiederholt worden wäre. Was hat die Jury bloß geritten, solch ein Machwerk zumindest zu einem der 12 besten Fernsehfilme des vergangen Jahres zu küren, denn dies Remake des Rainer-Erler-Klassikers „Fleisch“ von 1979 ist weder handwerklich gut gemacht, noch in irgendeiner Weise spannend.

Obwohl die Menschenfänger- und Organauswaiderstory sich weitgehend an die Erler-Vorlage hält, wirkt alles, Schauspielerei, Dialoge uns selbst Actionszenen, platt, aufgesetzt und absolut unglaubwürdig – privatsendermäßig halt. Geradezu lächerlich die Townshipszenen, wenn deutsche Touristin Hilfe von schwarzen Townshipbewohnern erhält und die Verständigung selbstverständlich problemlos in astreinem Hochdeutsch erfolgt.

Nun, Pro7 kennt seine Klientel. Die hätte bei Originalsprache mit Untertiteln, weil des Lesens unlustig ( oder unkundig?) höchstwahrscheinlich weggezappt. Aber muss man so einen Mist auch auf 3sat verbreiten? Frau Blackconti’s Urteil stand nach den ersten 10 Minuten des Films fest: „Der Film ist nix!“ und natürlich hatte sie recht, aber das Fußballspiel im ZDF oder „Hart aber fair“ im Ersten waren ja nun auch nicht gerade der Hit.
Gregor Keuschnig - 21. Nov, 09:12

Naja, 3sat zeigt alle nominierten Beiträge. Ich kenne die Erler-Vorlage, die ich damals sehr gut fand (mit Jutta Speidel). Später hatte ich das noch einmal gesehen - und der Zauber war irgendwie verflogen.

Warum man so etwas "nachmachen" muss, weiss ich nicht (ich halte das für eine Unsitte, die in der Regel mit ästhetischen Mätzchen begründet wird). Was mich auch stutzig macht: Wenn solche Beiträge in die Auswahl zu einem preis kommen - wie waren denn wohl die anderen, nicht ausgewählten?

blackconti - 21. Nov, 18:21

Stimmt

7 deutschsprachige Sender ( ARD/ZDF/RTL/SAT1/PRO7/ORF und SF) reichen je 2 Vorschläge ein und eine Jury wählt daraus 12 Beiträge aus, d.h. es werden immer 2 Beiträge der Privaten dabei sein, die 3sat dann ausstrahlt.
Viel schlimmer als der obengenannte Fleischverhau können die abgelehnten Vorschläge "Vera am Mittag - Der FilmFilm" oder "Supernanny-powered by emotion" auch nicht sein.
en-passant (Gast) - 21. Nov, 19:35

Alles wird schlechter - oder besser?

Also ehrlich gesagt, fand ich schon Erler immer ein bisschen auf dem allzu plakativen Niveau (und ich erinnere mich an diesen Eindruck, obwohl ich sehr jung war, als ich das gesehen habe).

Was ich aber interessant finde, ist, wie sich überhaupt die Ansprüche verschieben, an Macharten, an Dialoge, an Konsistenzen von Fiktion. Man ist ja geneigt, seit den "Privaten" alles etwas blöder zu finden, zumal es sich auch noch in den Variationen oder Wiederholungen verdünnt. Aber stimmt das, wenn man die Rasanz neuer Schnitttechniken bedenkt, überhaupt die neuen Geschwindigkeit, etwa ja auch aus Hollywood, die einfach mehr heraus dem erzählerisch Verdichteten voraussetzen kann?

Von daher habe ich mich dann immer über solche dünnen Filmchen gewundert. Es scheint aber entweder eine Klintel für's Dünnere / Dümmere zu geben. Oder das Thema macht es dann bei solchen Auswahlen.

Gregor Keuschnig - 21. Nov, 23:30

Nachträglich erscheint dann einiges immer leicht verklärend, vielleicht der damaligen Stimmung geschuldet bzw. es war das Neue, was Erler da thematisierte, was ansprach (ein grosser Leser war ich damals nicht; vielleicht auch leichter zufrieden zustellen). Da schwamm man gerne (gerne? unwissend?) auf der "Welle" mit.

Die Remakes von Filmen sind meines Erachtens immer schlechter für diejenigen, die das "Original" kennen und irgendwie in ihren Kanon überführt haben. Ich denke an solche Filme wie "Psycho" oder auch "Die Zwölf Geschworenen". Da ist einfach das "alte" besser, auch wenn die Ästhetik win bisschen angegraut und langsam erscheint (auch? oder gerade deswegen?).

Die neuen Schnittechniken und die Schnelligkeit. Neulich gab es in der ZEIT in Feuilleton einen Aufsatz von Stefan Willeke, der anfangs vom Kapitalismus im Fussball handelte und dann auf die merkwürdige Verklärung der "Bratwurstfussballer" kam: Der Sage nach war der deutsche Fußball am spannendsten, als sich der zügellose Kapitalismus noch nicht an ihm vergriffen hatte. Der Sage nach spielte damals – bis weit in die siebziger Jahre der Bundesrepublik – die Bratwurst eine entscheidende Rolle im Fußball. Die Bratwurst kostete nur eine Mark, jeder Zuschauer im Stadion konnte sich eine kaufen. Die Bratwurst hatte keine Konkurrenz in den Imbissbuden, überall nur Bratwürste, abgesehen vom Bier. Der Sage nach bestand das herrlich Unverfälschte auch darin, dass die Wurst in einer kalten Wasserlache schwimmen durfte, weil der Regen noch nicht an den ausladenden Dächern hochmoderner Muschelstadien abprallte, sondern auf natürlichem Wege herabfiel auf die Menschen und sich am Ende in den aufgeweichten Wurstschalen der Fußballfreunde sammelte.

Das klingt alles sehr "modern", bis dann Willeke ein interessantes Details beschreibt: Man muss nur einmal versuchen, sich die Aufzeichnung eines erstklassigen Länderspiels aus dem Jahr 1972 anzuschauen, ganz eisern, bis zum Abpfiff. Es ist, in der Rückschau, überhaupt nicht auszuhalten. Die Langsamkeit, der zähe Spielfluss, fürchterlich. Das war der Bratwurstfußball des unschuldigen Kapitalismus. Es ist viel darüber geschrieben worden, wie der Kapitalismus den Fußball deformiert. Es sollte mehr darüber geredet werden, welche Begeisterung das Geld erst möglich macht.

Lässt man die Fokussierung auf das Geld weg, kommt man zum Thema: Vielleicht werden Neuverfilmungen gemacht, weil die "alten Filme" in der Rückschau nicht auszuhalten sind. Ich frage mich nur, wer das so kanonisiert hat bzw. welche Entwicklung da hingeführt hat.
en-passant (Gast) - 22. Nov, 18:47

An all dem stimmt sicher einiges!! (Vor allem die Langsamkeit wohl.)

Bei den Neuverfilmungen aber kenne ich immerhin eine Ausnahme (eine bis heute heftigst umstrittene, die mich allerdings auch nach wiederholtem Sehen noch überzeugt hat): „Solaris“. Und zwar weil Soderbergh wirklich einen eigenen Film macht. Das nimmt dann auch Tarkowski nichts weg.

Noch eine Wahrnehmung zu Erler (ich traue mir da, obwohl ich snst sicher von den Gedächtnisfälschungen nicht verschont werde): Ich erinnere mich, dass es damals um etwas Neues ging, etwas Spekulatives an Fernsehfilm, das die genuinen Möglichkeiten des Mediums besser zu nutzen versuchte (es versprach). Heute würde man sagen „ein neues Format“. Das kam aber dann doch nur sehr begrenzt zum Tragen, und daher auch ein Teil der Enttäuschung. Das Ergebnis war selbst für mich (Schüler, glaube ich), eher trivial.

Auf der aktuellen Zeit-Feuilletonübersicht ist ein gutes Interview (Katja Nicodemus) mit Godard von 2007 verlinkt, das auch über die Veränderungen im Film geht. Ich habe es heute nur überfliegen können, werde es demnächst noch mal lesen, weil mir da einiges aufging.

 

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