Donnerstag, 15. November 2007

Kriminalität in Südafrika – wie ich sie sehe

Um es gleich vorweg zu sagen: Ja, die Kriminalität in Südafrika ist ein wirkliches Problem und sie bedingt bestimmte sicherheitsrelevante Verhaltensweisen im täglichen Leben. Das tut Kriminalität natürlich immer, selbst in wesentlich sichereren Ländern wie z.B. in Deutschland. Auch dort werden Türen nachts verriegelt und auch dort wird kaum eine Frau des Nachts allein durch z.B. den Englischen Garten in München gehen. Hier in Südafrika sind diese sicherheitsrelevanten Verhaltensweisen natürlich wesentlich ausgeprägter.

Jedem Südafrikabesucher fällt sofort auf, dass in „weißen“ Wohngebieten praktisch jedes Haus von einer hohen Mauer oder einem hohen Gitterzaun eingefriedet ist. Oben aufgesetzt meistens noch ein zusätzlicher Elektrozaun, welcher mit einer Sicherheitsfirma verlinkt ist, genauso wie das im Haus installierte Alarmsystem. Über sogenannte Panic-Buttons in den Räumen kann im Notfall die Vertrags-Security gerufen werden, deren Wachleute in polizeiähnlichen Fahrzeugen Tag und verstärkt während der Nacht in den Wohngebieten patroullieren. Für diese Sicherheitsleistungen wird üblicherweise ein Vertrag abgeschlossen und eine monatliche Gebühr fällig. Dieser Sicherheitsaufwand hat natürlich auch eine versicherungstechnische Begründung, denn dadurch verringern sich die Prämien der Hausrat- und KFZ- Kaskoversicherungen erheblich.

Das tägliche Leben hat sich nach dem Ende der Apartheid nicht wesentlich geändert, sieht man davon ab, dass die Innenstädte der Metropolen nun schwarz geworden sind.
Zu Apartheidzeiten durften die Schwarzen nur zum Arbeiten in die Innenstädte und Abends um neun spätestens ertönte eine Sirene zum Zeichen, dass die Schwarzen die Stadt nun zu verlassen hätten, ansonsten sie eingesperrt würden. Das ist Gott sei Dank passe`.

Die weiße Minderheit besitzt große Häuser in bevorzugten Wohngegenden, die Schwarzen leben nach wie vor in bestimmten Townships oder in Städten neben der Stadt. Verbessert hat sich dort allerdings mittlerweile die Infrastruktur. Inzwischen sind die meisten Häuser und Hütten in den Townships an die Strom- und Wasserversorgung angeschlossen. Allerdings entwickelt sich inzwischen mehr und mehr eine schwarze Mittelschicht und ein schwarzer Nachbar in einer „weißen“ Wohngegend ist nichts ungewöhnliches mehr und wird problemlos akzeptiert.

Im Normalfall ist der Weiße oder der Inder der Chef, lenkt vorne den Pick-Up und kutschiert hinten auf der offenen Ladefläche 10 Schwarze zu einer Arbeitsstelle, die er dann gelangweilt beaufsichtigt, ein Bild, welches man überall im Lande antrifft. Die Arbeitslosenrate liegt, trotz boomender Wirtschaft, immer noch bei ca. 35 %, d.h. Arbeitskräfte, besonders ungelernte Hilfsarbeiter, gibt’s im Überfluss und billig sind sie obendrein. Fast täglich wird man von jemandem mit der Frage nach einem Job konfrontiert.

Zurück zur Kriminalität. Während die sich die weiße Minderheit in ihren Wohngebieten mit einigem Aufwand gegen Einbruchs- und Diebstahlsdelikte schützt, was bis auf Ausnahmen auch weitgehend gelingt, z.B. auch durch das Halten großer, gefährlicher Hunde, ist die Gewaltkriminalität Mord, Totschlag, Vergewaltigung usw. hauptsächlich ein Problem innerhalb der schwarzen Bevölkerungsmehrheit. Armut, Stammesfeindschaften, Alkohol – und Drogenexzesse, Beziehungsprobleme, Aberglauben, Bildungsferne, beengte Wohnverhältnisse, Entwurzelung, illegale Einwanderung, kurz, Probleme haufenweise und leider viel zu oft scheint Gewalt die Problemlösung. Natürlich gibt es auch organisierte Kriminalität, Gangsterbanden, die, schwerbewaffnet, Banken, Geldtransporter, Spielcasinos oder Supermärkte überfallen. Trifft die Polizei rechtzeitig ein, kommt es regelmäßig zu heftigen Schießereien bei denen fast immer Tote auf beiden Seiten zu beklagen sind, manchmal auch Unbeteiligte, die unglücklicherweise ins Kreuzfeuer gerieten.

Das alles ist schlimm, sicher, aber ich persönlich erfahre von solchen Vorkommnissen auch immer nur aus den Medien, wie eigentlich alle, mit denen ich hier zu tun habe. Mit Vorliebe werden hier von Weißen wahre Schauergeschichten kolportiert, vom Hörensagen und man bemerkt sofort den rassistischen Hintergrund. Dies mag ja gegenüber Touristen manchmal gut gemeint sein, um ein gewisses sicherheitsbewusstes Verhalten zu schärfen, aber ganz sicher sind es auch diese Kolportagen, die dann im Ausland wiederum, nochmals kolportiert, zum Image des hochgefährlichen Südafrika beitragen.

Nein, gefährlich ist Südafrika nicht. Die Kriminalitätsrate ist hoch, keine Frage, und sie ist erheblich höher als in z.B. Deutschland, aber die Kriminalitätsrate ist auch eine statistische Größe. Immer noch ist hier die Wahrscheinlichkeit bei einem Verkehrsunfall zu Schaden zu kommen erheblich höher, als einem Gewaltdelikt zum Opfer zu fallen.

Südafrika ist ein wunderbares Land, nicht nur landschaftlich und vom Klima. Hier leben auch jede Menge freundlicher Menschen aller Hautfarben sehr tolerant und friedlich zusammen. Selbst die hartgesottensten Rassisten werden langsam nachdenklich, angesichts der friedlichen Entwicklung hier und mit der Prosperität der Wirtschaft und zunehmender Bildung steht zu hoffen, dass auch die Kriminalität langsam eingedämmt wird.

PS: Wir leben hier an der Lower Southcoast und unsere Gegend gilt versicherungstechnisch als „Low Crime Area“. Es könnte sein, dass mir Kenner der Verhältnisse in Johannesburg nun Naivität vorwerfen. Dass es in Johannesburg bestimmte Gegenden gibt, wohin man als Weißer besser nicht allein geht, ist mir schon bekannt, aber wann auch immer ich mich in Jo’burg aufhielt, nie hatte ich Probleme. Trotzdem gebe ich gerne zu, dass ich mich dort nicht besonders auskenne.

Tief im Süden

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